Kinderpersönlichkeiten

 

Ganz allgemein lässt sich zunächst sagen, dass Jungen anders toben als Mädchen – wilder und unbändiger. Die Mädchen sind häufig das stärkere Geschlecht – wenn sich ein Mädchen und ein Junge um ein Spielzeug streiten, ist das Mädchen fast immer der Sieger – und zwar ganz ohne Gewalt! Eine Erklärung für dieses Phänomen habe ich nicht.

 

Greifen wir mal ein paar Einzelpersonen heraus, die sich allesamt gerne auch mal bei mir einkuscheln. Da ist zum Beispiel Lu., die im August 6 Jahre alt wird. Sie ist durch nichts aus der Ruhe zubringen, ist offen für jeden und nimmt mit ihrer ruhigen, heiteren Art jeden für sich ein. Ich kann mir kaum vorstellen, dass dieses Mädchen vor irgendetwas Angst hat – sie lächelt und geht vertrauensvoll auf einen zu. Zorn oder Schreien hört man von ihr nicht. Allerdings lässt sie sich von stärkeren Charakteren leicht verdrängen, jedoch ohne dass es ihr etwas auszumachen scheint.

 

Dann gibt es da Le., fast 6 Jahre. Sie ist die stärkste Kinderpersönlichkeit, die mir je begegnet ist. Sie hat lange, hellbraune Haare und ein echtes Puppengesicht. Fast möchte ich ihr in manchen Fällen schon weibliche Raffinesse unterstellen, wo immer sie das her hat. Gleichzeitig kann sie unendlich unschuldig tun. Selbst deutlich ältere Jungen hätten wohl kaum eine Chance gegen sie, wobei wieder nicht die physische Gewalt gemeint ist. Ich spekuliere mal, dass selbst 10-jährige Raufbolde einen Bogen um sie machen würden. Sie ist sehr agil und tobt und springt herum wie ein Wilde. Andererseits zeigt sie auch große Hilfsbereitschaft. Sie muss ein phantastisches Elternhaus haben!

 

Dann sind da die Geschwister A. und Da, beides Mädchen, 5 bzw. 3 Jahre alt. Sie sind ebenfalls sehr starke Persönlichkeiten, aber ohne die Anteilnahme, wie sie Le. zeigt. Vor allem die Ältere A. kuschelt sehr gerne mit mir, lässt sich sogar regelrecht fallen. Bei ihr muss man aufpassen – sie setzt sich manchmal sehr rücksichtslos durch. Wenn man dem nicht Einhalt gebietet, könnte sie mal zur Tyrannin werden.

 

Gibt’s auch Jungen? Aber ja! T. zum Beispiel, ein wilder Draufgänger, der zu mir aber manchmal erstaunlich zärtlich und kuschelig ist. Er hört mir sehr gerne und ausdauernd beim Vorlesen zu.

 

Manchmal aber (bei mir zum Glück erst ein einziges Mal) erlebt man dann auch traurige Geschichten. Eines Tages nach den Sommerferien war ein bereits 7-jähriges Mädchen im Kindergarten. Sie zeigte auf Anhieb eine anomale Anhänglichkeit an mich. Beim zweiten Mal klammerte sie sich an mich und wollte partout nicht mehr loslassen. Als das dann aber sein musste, weinte sie und klammerte eher noch stärker. Das war ganz und gar kein gesundes kindliches Sehnen nach Geborgenheit und Wärme, hier herrschte größte Not!

Sofort danach bin ich bei der KiGa-Leitung vorstellig geworden und habe den Fall geschildert. Man war überrascht, hat sich bei mir herzlich bedankt und wollte der Sache nachgehen.

Bei meinem nächsten Besuch im Kindergarten war dieses Mädchen nicht mehr dort. Die Leiterin kam aber gleich auf mich zu und hat sich nochmals bedankt. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass ein tiefes Zerwürfnis ihrer Eltern dazu geführt hatte, dass sie vernachlässigt und nicht beachtet wurde. Inzwischen hatte sich das Jugendamt des Falles angenommen. Ohne meine Beobachtung wäre man der Not dieses Kindes nicht so schnell auf die Spur gekommen.

 

So macht man seine Erfahrungen! Alles in allem – eine schönere, sinnvollere und herzerwärmendere Tätigkeit als Pate bei Kindern zu sein, kann ich mir nicht vorstellen. Man muss einfach einen Draht zu Kindern haben, die nötigen vertrauensbildenden Maßnahmen beachten und die Kinder so nehmen, wie sie sind. Dann wird es für alle Seiten zu einem Erfolgserlebnis der besonderen Art

 

Wird nach und nach erweitert

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