Im Mittelpunkt der Erde

Luis (11)

Es geschah am letzten Freitag Abend. Ich packte gerade mein Schulzeug als meine Mutter rief: „Tom, Kim, holt ihr bitte die Wäsche aus dem Trockner!“ Ich ging also zu meiner dreijährigen Schwester Kim und dann beide in den Keller, um die Wäsche zu holen. Unten angekommen bemerkte ich, dass es kühler war als sonst, und meine kleine Schwester rief: „To, mir kalt!“ (Sie konnte das –m noch nicht richtig aussprechen). Ich sah mich um, wo es so kalt her zog, und da sah ich es: ein Lüftungsschacht.

Ich öffnete ihn, da kam Kim und fiel aus Versehen hinein. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Dann sprang ich ihr einfach nach. Sie schrie: „To lutsche“.

Ich wusste nicht, wann dieser Luftschacht enden würde, aber es wurde immer wärmer. Da rief Kim: „To nomal!“. Ich merkte, dass die Rutsche zu Ende war, und da landete ich auch schon auf irgendeinem klebrigen Zeug. Es war gelb und schleimig. Als ich mich umsah, bemerkte ich, dass wir in einer Art Labyrinth gelandet waren.

Meine Schwester fragte: To essen ich Hunger!“

Ich sagte: „Kim, ich habe gerade nichts zu essen“. Da schrie sie laut los, dass ich mir die Ohren zuhalten musste. Kurz darauf hörte ich Schritte. Sie klangen laut und schwer. Mir wurde mulmig zumute. Kim hörte auf zu weinen und rannte ängstlich zu mir. Die Schritte wurden lauter und lauter.

Da rief meine Schwester: „Ameise da Ameise!“ Sie fügte noch hinzu: „Macht pieks und dann au!“

Jetzt sah ich sie auch. Riesen-Ameisen! Eine von ihnen fraß das gelbe Zeug, auf dem wir gelandet waren. Erst jetzt bemerkte ich die riesigen Facettenaugen und Riesenzähne. Eine von ihnen öffnete den Mund und beugte sich zu uns hinunter. Sie sagte: „Ihr kleinen Figuren kommt mal mit!“ – komischerweise in unserer Sprache.

Wir folgten ihnen gehorsam. Sie führten uns bis in ihr Dorf. Dort waren Häuser aus diesem gelben Zeug und ein Lavasee mit einem Sprungbrett. Ich fragte eine Ameise: „Wo sind wir?“

Sie antwortete: „Im Mittelpunkt der Erde!“

Eine andere sagte: „Geht mal auf das Sprungbrett!“ Wir gehorchten. Dann sagte sie „springt!“

 

© Chris Frey

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